Kennt ihr Achern?

Eine folgenschwere Sonntagsfahrt oder mein ganz spezielles und persönliches Abschlepperlebnis!

Kennt ihr eigentlich Achern? Nein?! Muß man auch nicht kennen. Ich meine, ich kannte es auch lange nicht. Bis zu einem denkwürdigen Tag im August 1999. Das Wetter war schön, es war Sonntag und ich war auf dem Weg in mein neues Leben, nach Lyon in Frankreich. Zuvor hatte ich meinen Citroen DS bei einer kleinen Werkstatt in Hessen eingetauscht gegen einen VW Käfer und einen VW T3 Bus. Ja, damals gingen solche Sachen;) Den T3 hatte ich vollgepackt mit allem, was man so zum Leben in der Ferne braucht, einschließlich der Heimorgel und einem Topf frisch zubereitetem Gulasch. (Hmm, ideal nach einer langen Fahrt! Damals war ich auch noch keine Vegetarierin..). 

Mit meinen 2CV Enten (die ich irgendwann davor einmal besessen hatte) hatte ich immer ca. 9 Stunden gebraucht bis nach Lyon. Auf ungefähr dieselbe Zeit hatte ich mich auch dieses Mal mit dem T3 eingestellt. Am nächsten Tag (Montag) war der letzte Einschreibetermin an der Uni in Lyon, daher wollte ich nicht allzu spät ankommen und war relativ früh am Sonntag Morgen losgefahren – auch, um der Hitze zuvor zu kommen. Damals war schließlich eine Klimaanlage noch kein Standard. 

Mein persönliches Abschlepperlebnis

Ich fuhr also dennoch zügig und überholte übermütig kurz vor Achern (nahe der französischen Grenze) einen Laster – mit 90km/h – als es auf einmal „Klick“ machte und der Motor ausging. Ich rollte also nur noch. Ok. Geistesgegenwärtig lenkte ich den Bus schnell auf den Standstreifen. Erst einmal nachschauen. Es tat sich nichts. So oft ich den Schlüssel im Zündschloss auch drehte, ob fluchend oder schmeichelnd, es passierte einfach nichts! Etwas angeschlagen stieg ich aus und wollte nach dem Motor schauen. Aber, tja…wer einen T3 kennt, weiß nun auch wo sich der Motor befindet! Richtig! Im Kofferraum! Und was stand dort leider drauf? Na klar, die Heimorgel! Ich fluchte und raufte mir die Haare wie ein kleines Rumpelstilzchen, aber leider hieß ich auch nicht Pipi Langstrumpf und konnte demnach nichts tun – außer… den ADAC rufen. Auf zur Notrufsäule also.

Nicht weit entfernt fand ich diese Notrufsäule und erklärte dem netten Herrn, dass ich liegengeblieben war. Auf der A5. „Ok. in 20 Minuten kommt jemand vorbei.“ Gut, dass der ADAC anhand der Notrufsäulen orten kann, wo man sich befindet. 20 Minuten. Das konnte ich verkraften und es bedeutete nicht allzu viel Zeitverlust. (Wenn ich gewusst hätte, was noch alles folgen würde…) Ich ging also zu meinem T3 zurück und wartete. Für die jüngere Generation unter den Lesern: es gab damals natürlich weder Handy noch Smartphone, ich rauchte nicht und demnach war mein einziger Zeitvertreib hin und wieder auf die Uhr zu schauen und den Schlüssel im Zündschloss zu drehen, um auf ein Wunder zu hoffen. Wenn man so ganz alleine an der Autobahn steht und alle an einem vorbei rauschen, da merkt man erstmal wie lang 20 Minuten sein können. Leider war nach 20 Minuten nichts vom ADAC zu sehen. Nach einer Stunde auch noch nicht. Es war mittlerweile ausserdem auch richtig heiß geworden, selbst im Schatten des T3. Na ja, mit Essen kann man sich die Zeit wohl etwas vertreiben. Und Schokolade hält sich ja eh nicht so lange, wenn die Sonne brütet. 2 Stunden später. Die Schokolade war leer. Mist. Immer noch kein ADAC. 

Nach unglaublichen 2,5 Stunden sah ich dann endlich die gelben Leuchten eines ADAC Fahrzeuges. Ein mißmutiger, bärtiger Mann mittleren Alters stieg aus dem Wagen: „Na was haben se denn gemacht?“ „Also, ich habe gar nichts getan. Mein T3 springt nicht mehr an und ich muß heute noch nach Lyon, da ich mich morgen dort in die Uni einschreiben muß. Ist der letzte Termin. Bin ich froh, dass Sie endlich da sind!…“ Im Prinzip sprudelten alle in den letzten Stunden aufgestauten Worte nur so aus mir heraus! „Na dann geben Se mir mal den Zündschlüssel.“ Ok. Ich erklärte ihm zwar, dass es nichts bringen würde das zu versuchen (ich hatte schließlich 2,5 Stunden Zeit gehabt hin und wieder das Zündschloss zu drehen), aber er war so überzeugt von seiner Macht… Nun gut. Er setzte sich also ins Führerhaus, drehte den Schlüssel und es tat sich… Nichts! War ja eigentlich auch klar. „Tja, da tut sich nichts. Der ist kaputt!“ Ach nee. Echt jetzt. „Ich rufe Ihnen den Abschleppdienst.“ Wie bitte! Dafür habe ich nun 2,5 Stunden gewartet? „Wollen Sie nicht wenigstens mal den Motor anschauen? Also zusammen könnten wir die Heimorgel…“ „Nee, junges Fräulein. Das bringt nichts. Der ist hinüber. Das muß sich ein Mechaniker anschauen.“ NEIN! Das kann doch nicht wahr sein. Wie kann er das bitte nach fünf Minuten, ohne den Motor anzuschauen beurteilen?! Ich war entrüstet, enttäuscht, wütend, den Tränen nahe… „So. Ich habe Ihnen nun den Abschleppwagen gerufen. Der kommt in 20 Minuten.“ Und weg war er. 20 Minuten. Wenn es eines gibt, was ich gelernt habe an diesem denkwürdigen Sonntag Vormittag, dann: Auf der A5  kurz vor Achern bedeuten 20 Minuten 2,5 Stunden. Richtig. Ich habe noch einmal 2,5 Stunden auf den Abschleppwagen gewartet. Alleine. Für die vorbeifahrenden Autos war es zuweilen wahrscheinlich auch ein seltenes Bild. Ich habe geflucht, meinen T3 getreten, mir die Haare gerauft, auf den Motor geschlagen, geheult, geflucht, bin auf und abgegangen… Na ja, was man in solchen Situationen eben so tut!

Dann, endlich kam der Abschleppwagen. Ein alter Mann stieg aus. Etwas wortkarg. Ob das ein meinem Zustand lag? Er bockte meinen T3 auf. „Wollen Se in Ihrem Wagen sitzen, oder zu mir in die Führerkabine kommen?“ Was für eine Frage…  Natürlich lieber in Gesellschaft. Bis auf fünf Minuten ADAC hatte ich seit fünf Stunden schließlich reichlich Zeit mit mir selbst verbracht. „Wo soll ich Se denn hinbringen? Erst mal den Wagen auf den Hof von VW und dann kann ich Sie in ein Hotel fahren?“ Ich, völlig verzweifelt: „Wo sind wir denn überhaupt?“ Kurz vor Achern. Ach so. Dieser Ortsname sollte sich auf ewig in mein Gedächtnis einbrennen. „Aber ich muß doch heute noch nach Lyon… Kennen Sie nicht einen KfZ Mechaniker, der sich den T3 mal anschauen kann? Das hat nämlich der Typ vom ADAC gar nicht richtig getan!“ erklärte ich schwach. „Nee, kenn ich nicht,“ „Ich will aber in kein Hotel.“ „Wie Se wollen junge Frau. Dann bringen wir jetzt den Wagen zu VW und dann schauen Se eben von dort aus mal.“ Toll. Was nun? Nachdem der T3 abgestellt war tigerte ich los. Die Stadt, also das Städtchen – also Achern erkunden.

Verzweifelt fand ich die örtliche Polizeistation, erklärte mein Missgeschick und fragte, ob sie nicht irgendeinen KfZ Mechaniker kennen würden. (Ich war immer noch fest davon überzeugt, ich könne mit dem T3 an dem Tag noch weiter nach Lyon.) Die Polizisten hatten anscheinend Mitleid. Auf jeden Fall kannten sie tatsächlich jemanden. Nach einem kurzen Telefonat kam die frohe Kunde. „Warten Sie kurz hier. Der KfZ Mechaniker kommt gleich und nimmt Sie mit zu Ihrem Fahrzeug.Juhu! Es dauerte dieses Mal tatsächlich nicht lange. Auf der Fahrt erklärte ich ihm, was bisher geschehen war. Da schaut der nette Mechaniker mich an und spricht diesen unglaublichen Satz: „Ach, Sie sind die junge Frau, die MEIN VATER vorhin abgeschleppt hat!“ … Sein Vater also! Der keinen KfZ Mechaniker kannte! Tja. Heute kann ich darüber lachen. Damals konnte ich das nicht…

Auf jeden Fall war tatsächlich nichts zu machen. Es war mittlerweile 16Uhr. 7 Stunden dauerte meine Odyssee bereits an. Ich drückte dem netten KfZ Mechaniker alle Papiere des T3 in die Hand, sagte ihm, er könne die Gulaschsuppe gerne essen, sie sei sehr lecker und stieg dann völlig entkräftet und nervlich am Ende in den Zug nach Lyon.

Mein Vertrauen wurde nicht mißbraucht. Der T3 wurde zurückgeführt in die Werkstatt nach Hessen, wo dann der Motor getauscht wurde, da dieser wirklich völlig hinüber war. Der Gerechtigkeit halber muß ich also zugeben, dass der ADAC dies, mit einmal Schlüssel im Zündschloss drehen, folgerichtig erkannt hatte. Leider hatte ich den T3 damals schon in Deutschland abgemeldet, um ihn in Frankreich zuzulassen. Die Werkstatt hat, aus was für Gründen auch immer, den Motorwechsel nicht vermerkt. Das Ende der Geschichte: Ich habe ganze drei Jahre versucht den T3 in Frankreich zuzulassen, was unmöglich war, da die Nummer des Motorblocks nicht zur Fahrgestellnummer passte! Dann habe ich den T3 nach Afrika verschifft, wo es keinen gekümmert hat. Hauptsache der Motor läuft und tja,… das tat er nun ja wieder!

Im Nachhinein betrachtet kann ich darüber lachen und diese Geschichte reiht sich ein in meine lustigen Erfahrungen mit Gebrauchtfahrzeugen.
Die Geschichte zu meinem ersten und letzten Käfer, der mal in meinem Besitz war und den ich gleichzeitig mit dem T3 Bus erstanden hatte, folgt demnächst.

Der T3 Bus war Auto Nr. 8 / 15