Der letzte Flug

Eigentlich wollte ich diese Geschichte ja gar nicht erzählen und schweige nun schon viele Jahre darüber. Nicht, weil ich sie nicht erzählen würde, sondern meinem Sohn zu Liebe. Ja gut, damals war er ja auch erst 15 und somit in der Pubertät, da findet man seine Eltern ja generell peinlich. Deshalb hab ich ihm den Gefallen getan. Ich verstehe zwar bis heute nicht, was daran peinlich war… Na ja gut, eine Szene vielleicht. Oder doch mehr? Es ist die Geschichte von unbedingtem Willen gegen Vorschriften.

Unser Flug nach London

Es war im Jahr 2015. Das Jahr unseres Umzugs. Um den ganzen Stress mal ein wenig zu vergessen, wollten ich mit meinen beiden Söhnen (7 und 15) meine Freundin Paulette und ihre Familie in London besuchen. (Ja richtig, Paulette kennt ihr schon von meiner Geschichte Déesse, Ente & Co.)
Beim Kofferpacken stellte ich fest, dass ich schon Ewigkeiten nicht mehr geflogen war und wog auf der ausgeborgten Waage ständig den Koffer nach. Die ganzen Geschenke mussten ja auch noch mit. Also entschloss ich mich eine kleine Reisetasche als Handgepäck zu nehmen, in der ich alle Utensilien verstaute, die ich nicht mehr in den Koffer bekam. Und nein, das Problem war nicht die Größe der Reisetasche, falls ihr dies nun denken solltet. Es war viel schlimmer! 😅😉

Münster Flughafen

Angekommen am Flughafen hatten wir wahnsinnig viel Zeit. So ist das nunmal, wenn man nicht so häufig fliegt. Man ist zu früh. Wer mich kennt, weiß das es eher aussergewöhnlich ist, dass ich zu früh bin. Aber hier ging es ja schließlich um einen Flug. Nachdem das Gepäck abgegeben war, warteten wir auf den Check-in.

Der Check-In

Wir hatten Glück. Als unser Flug aufgerufen wurde, standen wir an zweiter oder dritter Stelle. Ich hob die Reisetasche auf den Tresen: „Was haben Sie da drin?“ „Ach, eigentlich nur, was in den Koffer nicht mehr reingepasst hat. Ein paar Kleidungsstücke, Kulturbeutel…“ Da war es. Das Wort, das ich in keinem Fall, unter keinen Umständen hätte erwähnen dürfen. Das weiß man aber nur, wenn man häufiger fliegt als ich. Also Tasche auf, Kulturbeutel raus. „Was sind das für Creme Tuben?“ „Die brauche ich für mein Gesicht.“ „Die können Sie leider nicht mitnehmen, die sind zu groß.“ „WAS?! Wieso sind die zu groß?“ „Da sind 110ml drin. Erlaubt sind aber nur 100ml.“ Ich weiß nicht, was ich zuerst gedacht habe, oder ob ich überhaupt irgendetwas gedacht habe. Sie war nämlich schon dabei die Tuben alle, wirklich ALLE, aus dem Beutel zu holen. Wie frech! Also das habe ich bestimmt gedacht! „Moment mal. Sie wollen mir jetzt nicht wirklich sagen, dass ich meine notwenige Creme nicht mitnehmen darf? Nur weil 10ml mehr auf der Tube steht, als erlaubt ist? Ist Ihnen denn aufgefallen, dass die Tuben nicht mal mehr halb voll sind?“ „Ich kann es nicht ändern. So ist die Vorschrift.“ Oh, wie ich diese Aussagen in dem Moment nicht hören wollte. Diese unflexiblen Vorschriften, die unflexible Mitarbeiter von unfelxiblen Behörden wirklich IMMER einhalten wollten. Nun kam ich richtig in Fahrt, da ja schließlich meine Gesichtshaut vom Sieg oder der Niederlage abhing. „Sehen Sie, ich habe leider eine empfindliche Haut und bin auf die Creme angewiesen. Gibt es denn gar nichts, was Sie tun können?“ „Die sind ja noch nicht einmal in eine zusätzliche Tüte verpackt.“ Sie schaut mich anklagend an. Hinter uns wird die Schlange immer länger, der eine Sohn verdreht schon die Augen und der andere hängt ständig an mir „Was ist denn los, Mama?“ Tja, das wüsste ich auch gerne. Zu der unflexiblen Vorschriften-Frau hingewandt „Was für Tüten meinen Sie denn?“ Aha, vorm Check-in war ein Tüten-Spender. Ein Tüten-Spender, dass es sowas überhaupt gibt. Ich hatte auf einmal eine Idee und holte mir ein paar Tüten. Ich nahm die Creme und drückte von jeder ungefähr soviel hinein, wie ich brauchte. Den verständnislosen Blick der unflexiblen Vorschriften-Frau habe ich irgendwie gar nicht bemerkt in meinem Eifer. Genervt von links kam „Mama! Was machst Du denn!?“ Ich rette mein Gesicht. Sieht man doch. Als ich fertig war, hielt ich der unflexiblen Vorschriften-Frau siegessicher die Tüten hin. „Das geht so nicht. Da steht ja jetzt gar nicht mehr drauf wieviel und was drin ist und das kann man nicht mal nachprüfen. Und es fehlt eine sichere Verpackung.“ Jetzt war es an mir sie verständnislos anzuschauen. „Sie haben mich doch aber eben gesehen, wie ich es abgefüllt habe. Ich glaube, ich möchte jetzt gerne mit einem Vorgesetzten sprechen.“ Von links „NEIN! Das willst Du nicht!“ „Doch genau das will ich.“ Schließlich ging es immer noch um mein Gesicht.

Finale

Nun folgte der Moment, an dem mein Sohn wohl am liebsten gesagt hätte, er gehöre nicht dazu. Dem kleineren meiner Söhne war immer noch nicht ganz klar worum es überhaupt ging und ich ..na ja, ich konnte nur mit Mühe meinen Lachflash zurückhalten. Die unflexible Vorschriften-Frau hielt nämlich tatsächlich alle meine frisch abgefüllten Creme Tüten hoch (natürlich so, wie in der Kondom Werbung an die ich sofort denken musste) und rief quer über den ganzen Check-In „Matthias (Name frei erfunden) schau mal ist das so in Ordnung?“ Nicht nur Matthias der Vorgesetzte schaute, nein. Auch das gesamte weitere Personal, alle weiteren Fluggäste und auch die Katzen und Hunde, hätten garantiert geschaut, so laut hatte sie gerufen. „Was soll das denn sein“ Matthias der Vorgesetzte schaute völlig verständnislos. „Nein, das geht nicht!“ „Es geht nicht.“ Die unflexible Vorschriften-Frau nahm alle meine Tuben und die frisch abgefüllten Tüten. Ich gluckste, mühsam das Lachen unterdrückend. Immer noch völlig überfahren von ihrer Aktion. So eine kuriose Situation…😂 Was nun? Es gab nichts mehr zu sagen.
Man muss eine Niederlage einstecken, wenn sie einem so klar vor Augen geführt wird. Habe ich auch getan. Meiner Kinder zuliebe. Damit sie sich an diesem Flughafen auch noch mal blicken lassen können.😅 Alles weg also. Fast 60,-€ am Check-In verloren, landen im Müll. Wegen dem Wort Kulturbeutel und 10ml zuviel. Was viel unglaublicher war: als dann die Tasche durch den Scan geschickt wurde, haben diese Vorschriften versessenen Mitarbeiter nicht mal gesehen, dass mein Sohn noch eine 200ml, randvolle Dose Nivea Creme in der Tasche hatte…

Ende gut, alles gut

Zu Weihnachten habe ich von meiner Freundin Paulette ein Reiseset für Cremes bekommen und auch eine Gesichtscreme. Auf dem Rückflug, hat sich mein älterer Sohn übrigens eine weit entfernte Taschenkontrolle gesucht! 😅 Und mein jüngerer Sohn und ich wurden tatsächlich noch einmal einem Ganzkörperscan unterzogen, da ich vergessen hatte ihm zu sagen, dass er seine Zahnspange rausnehmen soll, wenn er durch die Kontrolle geht.😂 Ach, ja Kinder. Nehmt das Leben nicht zu ernst. Es gibt soviel zu lachen. Am besten lacht man immer noch über sich selbst.😉🙃